Im Rahmen des Baus der Autobahn A29 war der auf dem Abschnitt Amiens - Saint-Quentin gelegene Fundplatz "Chemin de Croix" in Athies 1998 Gegenstand einer Rettungsgrabung. Athies ist ein Dorf im Departement Somme zwischen Amiens und Saint-Quentin im westlichen Teil des Vermandois. In mehreren Texten, darunter den Vitae der heiligen Radegundis, wird hier eine königliche villa des 6. Jahrhunderts erwähnt.


Über 1300 Strukturen wurden freigelegt, wobei vornehmlich zwei Perioden (6. -7. und 8. -9. Jh.) unterschieden werden konnten.


Der Platz "Chemin de Croix" wurde, was den untersuchten Bereich angeht, schon im frühen 6. Jahrhundert, zu Beginn der merowingischen Periode, besiedelt. Es ist zu bemerken, dass der Zeitpunkt der Besiedlung des Platzes mit dem allgemein für die Errichtung des merowingischen Palastes in Betracht gezogenen Datum korreliert werden kann. Die interne Organisation des "Weilers" kann, wenn auch nur teilweise, erfasst werden, doch es ist keinerlei Verbindung zwischen unserem Fundplatz und dem Ortskern erkennbar, wo die königliche villa traditionell angesiedelt wird. Die unterschiedlichen Strukturen des Fundplatzes "Chemin de Croix" entsprechen denen der anderen zeitgenössischen Siedlungsplätze. Beachtung verdient dieser Platz jedoch aufgrund seiner allgemeinen ungewöhnlichen Organisation. Der größte Teil der Siedlungsstrukturen liegt in einer Art halbovaler "Umfriedung" während sich die restlichen Strukturen westlich und südwestlich von ihr auf regelmäßigere, rechteckige Parzellen verteilen. Der Innenbereich der Umfriedung ist durch Gräben und Palisaden in 8 "Einheiten" unterteilt. Mehrere Gebäude, an die zehn Öfen, etwa zwanzig Gruben, zwanzig Hüttenböden, zwanzig Speicher und ein Brunnen sind auf den ergrabenen Bereich verteilt.


Im Laufe der zweiten Siedlungsperiode, im 8. und 9 Jahrhundert, neigt die räumliche Organisation zu weniger Kompartimentierung. Man unterscheidet jetzt nur noch 4 Raumeinheiten. Im Osten werden die Siedlungsstrukturen nicht mehr von der halbovalen Umfriedung umschlossen, während im Westen ein Grabenabschnitt noch als Abgrenzung dient. Nach Norden und Osten hin scheint der Bereich offen zu sein, ohne deswegen mehr Siedlungsstrukturen aufzuweisen. Es ist offensichtlich, dass auch jetzt eine interne Organisation existiert, doch ist diese weniger ausgeprägt als in der vorangegangenen Periode, und der Bereich ist offener. Der ergrabene Teil weist ein oder zwei Wohngebäude auf, fünf Nebengebäude, etwa dreißig Gruben, zwei Hüttenböden, siebzehn Speicher, acht Öfen sowie vier am Ende der Besiedlung zugeschüttete Teiche.


Obwohl die Organisation dieses Siedlungsbereiches bereits bekannten Konzepten entspricht, wie sie aus Goudelancourt-les-Pierrepont oder Juvincourt-et-Damary bekannt sind, weist sie einige originelle Aspekte auf. Die unterschiedlichen Einheiten, die hier erkannt wurden, können zwei oder drei Bewirtschaftungseinheiten entsprechen. Es besteht Anlass zur Vermutung, dass Athies eher zum polynuklearen Siedlungstypus gehört als zu einem klar zentralisierten Typus, doch da wir nicht wissen, wie sich die Situation weiter südlich verhält, können wir dessen nicht vollkommen sicher sein.