Seit 2008 führt das INRAP auf der Trasse des Seine-Nord-Europa-Kanals die derzeit größte archäologische Grabung in Frankreich durch. Die römische villa "La Mare aux Canards" wurde von Juni 2011 bis Juni 2012 an der Stelle einer zukünftigen Schleuse in Noyon archäologisch untersucht. Es handelt sich um einen der bemerkenswertesten Fundplätze der Kanaltrasse: mit ihrer auf mindestens 12 Hektar geschätzten Fläche gehört sie zu den größten bekannten villae Nordgalliens. Einige ihrer Eigenschaften erinnern eher städtischen villae oder villae des städtischen Umlandes als landwirtschaftlichen Gütern. Die Ausgrabung betraf sechs Hektar der pars rustica, die im Zentrum des Ensembles gelegen haben dürfte. Diese westlich des Grabungsareals gelegene 2 Hektar umfassende pars urbana ist sehr deutlich auf Luftaufnahmen, Satellitenbildern und geophysikalischen Prospektionen erkennbar, sowie von einer 2015 durchgeführten Diagnosegrabung. Die villa "La Mare aux Canards" dürfte an der Peripherie der civitas der Viromanduer, der antiken Ortschaft Noviomagus, dem heutigen Noyon, gelegen haben, weniger als einen Kilometer südwestlich einer großen römischen Straße. Wahrscheinlich handelt es sich um eine Gründung ex nihilo im letzten oder vorletzten Jahrzehnt vor unserer Zeitrechnung. In seiner ersten Bauphase zwischen 20/10 v. Chr. und 60/70 n. Chr. zeichnet sich der Plan der pars rustica durch zwei Reihen von Pfostenbauten aus, die im Norden und Süden hinter Säulengängen den großen rechteckigen Hof säumen. Hinter diesen befinden sich auf länglichen Parzellen in regelmäßigen Abständen auf die Außenmauer ausgerichtete Konstruktionen, von denen einige ungewöhnliche Grundrisse aufweisen. Das Ensemble ist in einer Entfernung von ca. 40 Metern von einem Grabensystem umgeben. In den 70er Jahren wird die villa abgerissen und in Berücksichtigung der ursprünglichen Organisation wiederaufgebaut, die Pfostenbauten werden durch Steinbauten ersetzt. Die pars rustica ist auch weiterhin um einen großen rechteckigen Hof angelegt, doch jetzt wird er, hinter einer Mauer, von zwei Reihen gemauerter Gebäude gesäumt. Die, zuvor durch große nun aufgefüllte Gräben, materialisierten Grenzen der villa sind nicht bekannt. Sehr außergewöhnlich ist, dass die pars rustica der villa in dieser Zeit mit zwei Kultbauten ausgestattet wird: zu der Kultanlage im Südwesten gehört ein eingezäunter, als Garten oder heiliger Hain interpretierter, Bereich. Der zweite Kultbereich befindet sich in der Achse des Hofes, gegenüber der pars urbana. Von Mitte des 2. Jh. bis in das 4. Jh. scheinen die meisten Gebäude und Strukturen der pars rustica verlassen zu sein, doch es sind noch diskrete Siedlungsspuren wahrnehmbar, dann werden die Gebäude systematisch abgerissen; die endgültige Aufgabe wird durch die Präsenz von drei Körpergräbern bestätigt. Das völlige Fehlen von Spuren jeglicher landwirtschaftlichen Tätigkeit in dem untersuchten Bereich gehört zu den bemerkenswertesten Eigenheiten der villa de "La Mare aux Canards". In der gesamten beobachteten Periode scheint es sich bei den identifizierten Gebäuden eher um Wohnhäuser zu handeln als um Wirtschaftsgebäude; besonders in der zweiten Siedlungsphase zeichnen sie sich durch die gute Qualität ihrer Architektur und Ausstattung aus. Der städtische oder gar aristokratische, durch zahlreiche « Prestigeprodukte » dokumentierte, Charakter der ersten Siedlungsphase ist eine weitere bemerkenswerte Eigenschaft, für die in den ländlichen Siedlungen dieser Zeit kaum Vergleiche vorliegen. Traduction : Isa odenhardt-donvez (isa.odenhardt@gmail.com).