ZUSAMMENFASSUNG

Das Programm für die Überwachung und die archaologische Untersuchung der Sandgruben des mittleren Oise- Tals wurde 1987 ins Leben gerufen, um die Schäden der massiven Zerstörungen zu begrenzen, die durch den Sandabbau hervorgerufen wurden. Das Programm dauerte bis 2000 an. Im Laufe dieser dreizehn Jahre wurden über sechshundert Hektar Boden vollstandig abgetragen, um das Siedlungswesen dieses begrenzten geografischen Gebietes zu untersuchen.
Fundplatze aus der Latènezeit, der in Wirklichkeit einundfünffig Siedlungsplatze entsprachen, da einige durchgehend wahrend zwei oder drei Perioden besiedelt waren, oder am Ende der Latènezeit erneut besiedelt wurden. Siebzehn Fundplätze gehörten in die späte Hallstatt- und die Frühlatènezeit, fünfzehn in die Mittellatènezeit und neunzehn in die Spätlatènezeit.
Um diese umfangreiche Dokumentation zugänglich zu machen, wurde eine CD-rom gebrannt. Sie vereint in einer nach Themen geordneten Datenbank die gesamte Grabungsdokumentation, die auf mehrere mit einander verknüpfte FileMaker-Dateien aufgeteilt ist. Ein Startmenü ermöglicht es, sie in zwei Richtungen zu durchsuchen.
Das erste Untermenü beinhaltet die unterschiedlichen Themenbereiche, mit der Kartographie, den verschiedenen Strukturen (Gebäude, Siedlungsstrukturen, Gräben, Grabstatten) und den zusammengefassten Darstellungen der Fundplätze einerseits und den verschiedenen Fundkategorien (Keramik, Metall, lithische Artefakte, Schmuck, Fauna und Karpologie) andererseits. Zu dies en Dateien kommen die allgemeine Bibliographie und Fotos.
Das zweite Untermenü ist über die Fundortliste abrufbar und erlaubt es, von der Zusammenfassung linear zu den Daten einer Besiedlung zu gelangen. Mit diesem Tool kann also die gesamte Dokumentation der Fundstatten abgerufen werden.

ANALYSEN

Anhand der auf dem digitalen Datenträger gespeicherten Dokumentation können die Siedlungen nun einer zusammenfassenden Betrachtung unterzogen werden, die in folgende Themenkomplexe aufgeteilt ist :
- nach einer Darstellung des historischen Kontextes werden die Siedlungsplatze nach geographischen Merkfialen und Bodenbeschaffenheit chronologisch aufgeführt. Die Geomorphologie, die Palynologie und die Karpologie tragen zum Verständnis der Kriterien bei der Wahl des Siedlungsplatzes bei. Durch die Konfrontation dieser Daten werden schliefflich die Logik und die Entwicklung des Siedlungswesens erkennbar.
- Der folgende Themenkomplex behandelt die Entwicklung der Strukturierung der Siedlungsplatze anhand der Analyse der Flächenbegrenzung, der architektonischen Formen und der Funktion der Strukturen. Von einem geografischen Informationssystem ausgehend, durch das die Fundverteilung nach Strukturen geordnet räufilich erfasst werden kann, wird die jeweilige Organisation der Fundplätze untersucht. Abgesehen von der Betrachtung der Funktionsweise der Siedlungen kann mittels dieser Analysen eine Hierarchisierung der Fundplätze vorgeschlagen werden.
- anschlieffend kann anhand der Untersuchungen des Mobiliars eine Befundsamfilung angelegt werden, die dazu dient die Fundplätze in einer Rangordnung einzustufen und darüber hinaus das weitaus klassischere Thema der Entwicklung der materiellen Kultur zwischen der frühen und der späten Latènezeit zur Sprache zu bringen ;
- die Untersuchung der Tierknochen und der pflanzlichen Makro- und Mikroreste erlaubt Rückschlüsse auf die Ernährungsweisen der Gemeinschaften und bestätigt, je nach Qualität der fleischlichen Ernährung, die Rangordnung der Fundplätze. Auch die landwirtschaftliche Nutzung des Bodens wird angesprochen ;
- der letzte Themenkomplex behandelt die Analyse der Bestattungskomplexe und der menschlichen Skelettreste aus den Siedlungsstrukturen sowie die "Deponierung" von Gegenständen. Die Beobachtungen er]auben es, die Bestattungssitten und häuslichen Rituale zu beschreiben; darüber hinaus tragt dieser Themenkomplex dazu bei, die Organisation und die Stellung der Fundplätze in der Hierarchie besser zu verstehen.

SYNTHESE

Die korrelierten Ergebnisse dieser thematischen Studien lassen die Organisation der Gesellschaft von der Früh- bis zur Spätlatènezeit im mittleren Oise- Tal erkennen. In der Frühlatènezeit hinterlässt das Siedlungswesen den Eindruck unabhängiger, kleinräumig organisierter Siedlungsstrukturen, die aber keiner zentralen Macht untergeordnet zu sein scheinen. Dieser Eindruck wird jedoch durch Fundplätze mit bedeutenden Lagerkapazitäten nuanciert, deren 
Rolle innerhalb der Organisation der Gesellschaft noch nicht klar definiert ist: Zentralisierung der Überschüsse als Reserve für schlechte Ernten, Abgaben, Spenden, Tauschplatze oder Märkte ?
Bedeutet dies eine Kontrolle der Produktion und eine daraus zu folgernde Siedlungshierarchie? Die soziale Schichtung zu Beginn der jüngeren Eisenzeit künnte hier, wie auch in anderen Gegenden, auf bine Neustrukturierung der Gesellschaft als Folge des Zusammenbruchs der vorangegangenen keltischen Fürstentümer weisen.
Schon allein an diesem Sektor wird zwischen der Früh- und der Mittel/Spätlatènezeit eine Veränderung der gesellschaftlichen Organisation deutlich. Es liegt auf der Hand, dass hier nicht alle Siedlungsformen vertreten sind, doch schon dieser Abschnitt des Tals zeigt, dass die Siedlungsplätze deutlich hierarchisiert sind. Die Intensität der Untersuchung eines begrenzten geografischen Sektors ermöglicht es also bereits, den Kenntnisstand der komplexen Schichtung der latènezeitlichen Gesellschaft zu verbessern. Die Relevanz der Wahl Fundplätze dieses Areals erweist sich hier als massgebend. Die Siedlungshierarchie ist kohärent: ein einziger Siedlungsplatz an der Spitze, darunter die doppelte Anzahl von Strukturen, und noch eine Stufe tiefer die vierfache Zahl gewöhnlicher Siedlungsplätze. Die in diesem Rahmen erkannte Schichtung stellt jedoch nur die Basis der sozialen Pyramide dar, und man muss sich von diesem Sektor entfernen und den Plateaus zuwenden, um andere Formen des laténezeitlichen Siedlungswesens wahrzunehmen. Die Fundstellen von Montiers "Les Noirs Cailloux" und Montmartin "La Fosse Muette" weisen noch ostentativere Züge auf als die, die in Longueil-Sainte-Marie "Le Vivier des Grès" nachgewiesen werden konnten. Die im Tal fehlenden Amphoren und die grossen in Montmartin importierten Pferde zeugen von einer noch höheren Position dieses Platzes in der Rangordnung.
Die Vielfalt der gallischen Siedlungsformen zeigt sich also sehr deutlich. Sie deutet auf eine ausserordentlich komplexe soziale Schichtung, bei der die Bauernhöfe auf der untersten Stufe und die Plätze wie Montmartin auf der höchsten Stufe der in der Hierarchie der bis heute erkannten Siedlungsstrukturen stehen.